Forum Zukunft: Demografie als Megathema 20. Juni 2013 "Wollen Sie 24 Stunden in ihren Urin liegen?" Mit dieser drastischen Frage wandte sich Professor Stefan  Sell direkt an die jungen Zuhörer in der Bibliothek des Rhein-Gymnasiums Sinzig. Die Entwicklung von  Windeln mit einem Fassungsvermögen von 3,1 Litern sei die betriebswirtschaftlich logische Folge des  Pflegenotstands aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland.  Seit 15 Jahren lädt das RGS in der Reihe "Forum Zukunft" externe Referenten zu Vorträgen ein, diesmal  Professor Stefan Sell von der Hochschule Koblenz, einen ausgewiesenen Fachmann zum Thema "Die  demografische Entwicklung als Megathema der vor uns liegenden Jahre". In seiner Begrüßung zitierte  Schulleiter Dieter Lehmann Konrad Adenauer: "Kinder kriegen die Leute von alleine." Ab der zweiten  Hälfte der 60 er Jahre, bedingt durch die Anti-Baby-Pille, wurde die Aussage des ersten Bundeskanzlers  widerlegt, die Geburtenrate sinkt seit 1965. Die Dimension dieses Wandels beschrieb Sell in einem  packenden Vortrag, gespickt mit statistischen Fakten. Rund 80 Zuhörer, vom 17-jährigen Schüler bis zur  älteren Dame, folgten interessiert seinen Darlegungen.  2,1 Kinder müsste statistisch jede Frau bekommen, um die Bevölkerungszahl  konstant zu halten. Seit  den 70 er Jahren beträgt dieser Wert jedoch nur 1,3 Kinder. "Das heißt, jede nachfolgende Generation  wird um ein Drittel kleiner sein als ihr Vorgänger." Dieser Prozess wird nicht aufhaltbar sein, da die  Mütter der geburtenschwachen Jahrgänge fehlen. Für den Kreis Ahrweiler bedeutet dies, dass bis 2030  die Zahl der 10-15 Jährigen ein Minus von 35 % im Vergleich zu heute aufweisen wird, die Zahl der über  80-jährigen dagegen um 53,7 % zunehmen wird. Bereits für den Zeitraum 2009 bis 2013 verzeichnet der  AW-Kreis einen Rückgang der Grundschüler um 11 %.  Da zugleich über die Hälfte eines Jahrgangs Abitur machen und fast alle studieren, wird es einen  erheblichen Mangel an Handwerkern und Facharbeitern geben. An die jungen Leute im Auditorium  gewandt stellte Sell fest: "Zu glauben, wenn du ein Studium hat, hast du ausgesorgt, ist falsch. 10000  Juristen sind heute schon Hartz IV-Empfänger. Finanziell gesehen sind Handwerks- und  Facharbeiterberufe attraktiver." Ein weiteres Problem wird die Pflege der Alten sein. Schon heute gibt es  zu wenige Pflegekräfte. Daher werden saugfähige Windeln für die Pflegebedürftigen entwickelt. Sell  plädierte klar für eine deutlich bessere Bezahlung von Pflegekräften, um dem Nachwuchs einen Anreiz  zu setzen. Politisch werden die Alten das Zepter übernehmen. Denn sie werden nicht nur deutlich in der  Mehrzahl sein, sondern gehen auch viel zahlreicher wählen als junge Menschen.  Zum Schluss warf Sell einen Blick ins benachbarte Frankreich: "Während eine Frau in Führungsposition  mit zwei bis drei Kindern in Deutschland scheel angeschaut wird, ist es in Frankreich umgekehrt." Nicht  die staatliche Förderung sei der Knackpunkt, sondern die Einstellung. Mit lang anhaltendem Beifall und  einem Weinpräsent aus den Händen von Klaus Karpstein, dem Initiator der Reihe "Forum Zukunft",  bedankte sich das RGS bei dem Refernten für den aufrüttelnden und lebendigen Vortrag. 
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